Neun Stunden zum Gipfel
Captain Zebulon Montgomery Pike scheiterte bei seiner Expedition 1806 an dem weit über die unmittelbare Umgebung hinaus sichtbaren Berg am südlichen Ende der Rocky Mountains. Es dauerte bis 1820, ehe der erste Bergsteiger auf dem 4.302 Meter hohen Gipfel stand. Rund 80 Jahre später gelang es zwei Männern aus dem benachbarten Colorado Springs, den Gipfel auf einer kurz vor der Jahrhundertwende von der Armee errichteten Versorgungspiste mit einem dampfbetriebenen Automobil zu erreichen. Mehr als neun Stunden benötigten sie für diese Tour.
Tiefe Abgründe beim Rennen in die Wolken
Dann kam Spencer Penrose – ein Unternehmer, der mit Investitionen im Bergbau ein Vermögen gemacht hatte. Seine Idee war ebenso kühn wie das für diese Zeit unglaubliche Budget von 500.000 US-Dollar: eine richtige Straße auf dem inzwischen als Aussichtspunkt beliebten Pikes Peak zu bauen. Um seinen „Pikes Peak Highway“ und die Region Colorado Springs als Urlaubsgebiet bekannt zu machen und um letzten Endes mit der mautpflichtigen Route Geld zu verdienen, veranstaltete Penrose vom 10. bis 12. August 1916 erstmals ein Bergrennen für Autos und Motorräder auf dem Pikes Peak. Das „Race To The Clouds“ oder „Rennen in die Wolken“ war geboren.
Für den Sieger gab es neben einem Preisgeld von 2.000 US-Dollar auch einen prunkvollen Pokal. Die damals vollkommen ungesicherte Piste war stellenweise von hunderte Meter tiefen Abgründen gesäumt, die unheilvolle Namen wie „Devil’s Playground“ („Spielplatz des Teufels“) oder „Bottomless Pit“ („Bodenloses Loch“) erhielten. 1916 gewann – zum Missfallen der lokalen Größen – der damals erst 22 Jahre alte Rea Lentz aus Washington das Rennen – mit knapp 21 Minuten.
Der Rekord liegt bei 08:14 Minuten
1925 knackte Chuck Meyers die 18-Minuten-Marke, Louis Unser war 1938 erstmals schneller als 16 Minuten, sein Neffe Bobby Unser war 1968 der Erste, der in weniger als zwölf Minuten auf den Gipfel raste. Der Neuseeländer Rod Millen scheiterte 1994 knapp an der Zehn-Minuten-Marke. Ab 2001 wurden immer mehr Passagen aus Umweltschutzgründen asphaltiert. Regen spülte jedes Jahr tausende Tonnen Schotter in das umliegende Naturschutzgebiet. Durch die Asphaltierung purzelten die Rekorde. Der Japaner Nobuhiro Tajima blieb 2011 erstmals unter zehn Minuten. 2012 war das letzte Stück Schotter verschwunden. Nun fuhren auch Rennmotorräder zum ersten Mal in weniger als zehn Minuten auf den Gipfel des Pikes Peak. 2013 stellte der neunmalige Rallye-Weltmeister Sébastien Loeb (44) aus Frankreich den heute noch gültigen Rekord von 08:14 Minuten auf.
Höhenkrankheit und Blitzeinschläge
Deutschlands Rennfahrer-Legende Hans-Joachim „Strietzel“ Stuck (67) ist begeistert: „Die Entscheidung von Volkswagen, wieder bei Pikes Peak anzugreifen und dazu mit einem E-Fahrzeug, ist eine coole Sache. Pikes Peak ist eines der letzten Abenteuer in den USA. Die enormen Herausforderungen an Fahrer, Fahrzeug und Techniker machen Pikes Peak einzigartig. Ich habe 1989 selbst für Audi vier Wochen lang auf dem Pikes Peak trainiert und habe größten Respekt vor dieser Strecke! Man muss sich bewusst sein: Am Ende der Straße wartet der Abgrund. Nur die Besten trauen sich das zu.“
Dank Asphalt und Leitplanken ist das Rennen zwar sicherer geworden, dafür lauern andere Gefahren. „Wenn Sie nicht an die Höhe gewöhnt sind, können Sie höhenkrank werden. Die Winde können extrem sein und die Temperaturen können auf gefühlt minus 50 Grad abfallen. Erfrierungen und Unterkühlungen können zu einem ernsthaften Problem werden,“ warnt Rupert Berrington, der als Fotograf schon seit über 30 Jahren bei jedem Rennen an der Strecke steht. Dabei geriet er selbst einige Male in Gefahr: „Der Name ‚Devil’s Playground‘ geht auf die Tatsache zurück, dass hier mit die meisten Blitzeinschläge in ganz Amerika verzeichnet werden. Bewegen Sie sich vorsichtig – der Boden kann nachgeben. Außerdem können Sie auf vereisten Flächen ausrutschen. Beides ist mir schon passiert. Ich habe Kameras und Objektive zerstört und war einmal sogar nach einem Sturz bewusstlos.“
Touristen und YouTube-Attraktion
Längst lockt der Pikes Peak neben jährlich rund 600.000 Touristen aber nicht nur Zwei- und Vierrad-angetriebene Motorsportler an. Heute gibt es auch ein Radrennen und einen Laufwettbewerb auf der legendären Strecke. 2017 wurde „America’s Mountain“, wie der Pikes Peak auch genannt wird, Schauplatz für eines der spektakulären Drift-Videos von YouTube-Superstar Ken Block (50). Eine bessere Werbung als die Millionen Clicks von YouTube auf dem Kanal des Rallye- und Rallye-Cross-Fahrers, wäre wohl auch Spencer Penrose, der einst die erste richtige Straße auf den Gipfel bauen ließ, für seinen „Pikes Peak Highway“ nicht eingefallen.