Genf / Brüssel / München, 24.01.2024 (PresseBox) – In ihrem neuesten „Global status report on road safety“ führt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die periodische Fahrzeuguntersuchung erstmals als eine der wesentlichen Maßnahmen auf, um das Risiko, im Straßenverkehr verletzt oder getötet zu werden, zu reduzieren. Ein großer Erfolg für die Verkehrssicherheit auf der ganzen Welt. Denn mit dieser Anerkennung wird es nun leichter, Unterstützung für den Aufbau eines Systems zur periodischen Fahrzeuguntersuchung, der PTI (Periodic Technical Inspection) zu bekommen – ein großes Sicherheitsplus vor allem für Schwellenländer, beispielsweise im globalen Süden. Ein Erfolg aber auch für das Inter-national Motor Vehicle Inspection Committee (CITA) und für TÜV SÜD, die sich in den vergangenen Jahren intensiv in den Gremien der WHO für die Bedeutung der PTI eingesetzt haben.
„Ein Riesenschritt nach vorn”, freut sich Gerhard Müller, Leiter Politik und Wirtschaft in der Division Mobility von TÜV SÜD und langjähriger CITA-Präsident. „Die PTI ist ein wichtiger Baustein für die Verkehrssicherheit insgesamt. Denn nur durch die regelmäßige technische Prüfung kann sichergestellt werden, dass Fahrzeuge auch über ihr gesamtes ‚Leben‘ hinweg sicher funktionieren.“ Und Patrick Fruth, CEO der TÜV SÜD Division MOBILITY ergänzt: „Das ist ein wichtiger Meilenstein zur Verwirklichung der Vision Zero. Keine Toten oder Verletzten im Straßenverkehr, bedingt durch technische Mängel, ist eines der nachhaltigsten Ziele überhaupt.“ Unfallstatistiken in Ländern, in denen die PTI erstmals eingeführt wurde, beweisen die Wirksamkeit. Ein Beispiel dafür ist die Türkei. Seit 2009 untersucht TÜVTURK die Fahrzeuge von Diyarbakir bis Istanbul daraufhin, ob sicherheitsrelevante Bauteile, wie etwa Beleuchtung, Bremsen oder die Lenkung funktionieren und Emissionswerte eingehalten werden. Partner für die Etablierung einer landesweiten PTI war TÜV SÜD. Müller: „Die Türkei ist eine Blaupause für die Einführung der periodischen Fahrzeuguntersuchung rund um den Globus. Aus dem jetzt schon seit 15 Jahren laufenden Betrieb gewinnen wir wichtige Erkenntnisse – auch was die Akzeptanz der PTI in der Bevölkerung betrifft.“ Stichwort Emissionswerte: Die Fahrzeuguntersuchung trägt mit der Abgasuntersuchung auch zur Senkung schädlicher Emissionen wie etwa Rußpartikel bei.
Das Auto in den Blick nehmen
Ein Blick in den Global status report on road safety 2023 der WHO zeigt: 30 Prozent der Toten im Straßenverkehr 2021 rund um den Globus saßen in einem vierrädrigen Fahrzeug – mehrheitlich im Auto also. Bei insgesamt 1.190.000 Toten im Straßenverkehr bedeutet das: Knapp 360.000 Menschen verlieren ihr Leben in einem Auto. Zum Vergleich: Weltweit 23 Prozent sind es bei Fußgängern und 21 Prozent sind bei einem Unfall auf/in einem motorisierten Zwei- oder Dreirad ums Leben gekommen.
Zwar sind diese Menschen nicht alle gestorben, weil das Auto technisch nicht in Ordnung war. Die Zahlen machen aber deutlich, dass das Auto insgesamt global eine entscheidende Rolle für die Verkehrssicherheit spielt. Und das nicht nur für die Insassen. So verunglücken beispielsweise Motorradfahrer wegen blendenden Lichts eines entgegenkommenden Autos. Fußgänger werden verletzt oder sterben, weil Autofahrer ganz ohne Licht unterwegs sind.
Schaut man sich nun die Zahlen im Vergleich zum durchschnittlichen Einkommen an, ergibt sich ein möglicher Hinweis auf den Zustand der Autos. Denn 79 Prozent der Verkehrsopfer insgesamt kommen aus Ländern mit mehr oder weniger mittlerem Einkommen. In Ländern mit geringem Einkommen sind es 13 Prozent, in reichen Regionen nur 8 Prozent.
Man kann daraus schließen, dass in Ländern, in denen man sich ein Auto gerade so leisten kann, besonders viele Unfälle passieren, weil kein Geld mehr für Wartung oder Reparatur da ist. In reichen Ländern ist der Anteil am geringsten, weil dort die neuesten und am besten gewarteten Autos fahren. In armen Ländern hingegen spielt das Auto bezogen auf die gesamte Mobilität eine geringere Rolle; entsprechend weniger Verkehrsopfer sind zu beklagen.
Fazit: Der technische Zustand eines Autos spielt eine bedeutende Rolle für die Verkehrssicherheit. Dies ist umso mehr von Relevanz, weil mit zunehmenden Fahrerassistenzsystemen bis hin zum autonomen Fahren das Auto zukünftig noch mehr in den Vordergrund tritt. „Wenn immer mehr Verantwortung von den Fahrern an das Auto abgegeben wird, steigt natürlich auch dessen Bedeutung für die Verkehrssicherheit“, so Müller. Ein weiterer wichtiger Aspekt für einen immer größeren Stellenwert des Autos ist, dass gerade in den Schwellenländern mit zunehmendem Wohlstand immer mehr Menschen auf den eigenen Wagen umsteigen.
Damit all diese Fahrzeuge immer technisch einwandfrei unterwegs sind, müssen sie regelmäßig überprüft werden. Müller: „Die PTI ist die beste Möglichkeit, sicherzustellen, dass die Autos über den gesamten Lebenszyklus sicher und sauber bleiben und damit einen großen Beitrag zur Verbesserung der Verkehrssicherheit leisten. Mit dieser Argumentation haben wir als CITA die WHO überzeugen können, die PTI als wesentlichen Bestandteil in weltweite Verkehrssicherheitsstrategien aufzunehmen.“
Nach Plan etablieren
Für die Einführung oder die Bewertung eines PTI-Systems hat CITA das Assessment of Vehicle Inspection Systems (AVIS) entwickelt, ein inzwischen international anerkanntes Bewertungstool, das Ländern wichtige Hinweise für die Implementierung und Weiterentwicklung einer periodischen Fahrzeuguntersuchung bietet. „Wir bei CITA sind stolz darauf, AVIS entwickelt zu haben. Es macht es für Länder grundsätzlich einfacher, ein unabhängiges und funktionierendes Fahrzeugprüfsystem einzuführen, und wird deshalb auch von internationalen Entwicklungsbanken unterstützt“, betont der CITA-Präsident.
Mit funktionierender Technik Leben retten
AVIS führt zurück zur Türkei und damit zu einem weiteren Nachweis für die Wirksamkeit der periodischen Fahrzeugüberprüfung. Nach Einführung der PTI in der Türkei ist die Zahl der Verkehrstoten deutlich gesunken. Laut OECD von 61 (pro einer Million Einwohner) im Jahr 2009 auf 46 im Jahr 2014. Zudem wurde erstmals der Aufwärtstrend der Jahre zuvor gebrochen. Und gleich ein Jahr nach der Einführung 2009 sank die Zahl um 5 (pro einer Million Einwohner) auf 56 (2010). Wie erwähnt, war TÜV SÜD maßgeblich am Aufbau der PTI in der Türkei beteiligt. TÜVTURK ist vom Start weg mit gut 190 Service-Centern und zusätzlich mehr als 70 mobilen Prüfeinheiten gestartet. Seitdem führt TÜVTURK pro Jahr mehr als 12 Millionen Hauptuntersuchungen nach EU-Standards durch – Tendenz steigend. Beim Aufbau der PTI in der Türkei handelte es sich um das bis dahin größte internationale Investitionsprojekt von TÜV SÜD im Bereich Mobilität. Aus dem Betrieb der vergangenen 15 Jahre gewinnen die Experten wichtige Erkenntnisse, die auch CITA für die weitere Entwicklung von AVIS nutzt. Inzwischen sind weitere internationale TÜV SÜD-Projekte rund um die PTI hinzugekommen – etwa in Spanien, Österreich, der Slowakei und in Südafrika.
Gelder akquirieren
Die Aufnahme der regelmäßigen Fahrzeuguntersuchung in den Verkehrssicherheitskatalog der WHO wirkt bereits. Nachdem Anfang Dezember 2023 der 5. Global status report on road safety von der WHO veröffentlicht wurde, nahm die Global Road Safety Facility (GRSF) der Weltbank das Beispiel der PTI gleich mit auf. In ihrem aktuellen Jahresbericht, der noch vor Weihnachten vorlag, wurde ebenfalls auf die Bedeutung der technischen Inspektionen hingewiesen. Gerhard Müller: „Durch diese Anerkennung wird es für Länder in der Zukunft einfacher werden, Gelder für Investitionen in die Einführung oder Weiterentwicklung der periodischen Fahrzeugprüfung zu erhalten – rundherum ein großer Erfolg also. Und ein Beleg dafür, dass nicht nur die Technische Inspektion, sondern auch die Berichte der WHO sofort wirken.“
Die GRSF ist ein von der Weltbank verwalteter Fond, der Regierungen in Low- und Middle-Income Countries (LMIC) beim Aufbau von Verkehrssicherheitsprogrammen unterstützt.